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Vom griechischen Chrisso nach Ebhausen - Niko Siskos berichtet

Ich stamme aus dem Dorf Chrisso im Kreis Serres (zwei Busstunden östlich von Thessaloniki) in Griechenland. Unser Dorf lebte vom Tabakanbau, die meisten Leute waren Landwirte.
Mein Vater war Notar im Dorf, ich habe ihm oft auf dem Rathaus geholfen so auch bei der Feststellung der Einwohnerzahl.1966 waren es 4680 Einwohner, davon gingen 700 Kinder in die Schule. Der Unterricht musste in einer Vormittagsschicht und einer Nachmittagsschicht gehalten werden, weil die Räumlichkeiten sonst nicht ausgereicht hätten. Heute, im Jahr 2016, leben in Chrisso noch 700 Personen.

Die ersten Auswanderer machen sich auf den Weg
1962 machten sich drei junge, frisch verheiratete Familienväter aus dem Ort Chrisso auf, um nach Deutschland zu fahren. Ihre kleinen Kinder blieben bei den Großeltern zurück. Ihr Ziel war Ebhausen,weil dort bereits eine Familie aus dem Ort lebte. 1966 lebten in Ebhausen 113 Familien, in Egenhausen 22 griechische Familien aus unserem Ort Chrisso. Die meisten von ihnen hatten einen Arbeitsvertrag bei Daimler. Viele zogen später nach Nagold, Stuttgart, Mannheim und in andere Orte.

Als Tourist nach Deutschland gereist, um eine Maschine zu kaufen
Ich hatte keine Landwirtschaft, dafür eine eigene Schreinerei. Die Leute konnten die Rechnungen aber nicht immer bezahlen, da die Tabakernte unterschiedlich ausfiel. So hatte ich im Laufe der Zeit einen hohen Rückstand an Kundenforderungen.
Trotzdem wollte ich mir eine neue Maschine für meinen Betrieb kaufen, die es aber bei uns nicht gab. So reiste ich 1969 mit meinem griechischen Pass als Tourist nach Deutschland. Mit dem Zug fuhr ich bis Stuttgart, von dort mit dem Bus nach Ebhausen, weil dort meine Cousine wohnte, die schon früher nach Deutschland kam.

In Ebhausen Leute aus dem Heimatdorf getroffen
Als ich in Ebhausen an der Bushaltestelle gegenüber der alten Firma Ensslen an der Bundesstraße ausstieg, hörte ich eine Hobelmaschine im Gebäude gegenüber.
Ohne lange zu fragen ging ich rein, am Eingang vorbei direkt in die Fabrik. Es war gerade Pause, durch Zufall traf ich Herrn Tsirikas aus meinem Dorf. Er fragte: „Was machst du hier?“ Ich erklärte ihm, dass ich eine Winkelschnittmaschine für meinen Betrieb kaufen will, aber an dieser Maschine noch nicht arbeiten kann. Die Firma Ensslen hatte eine solche Maschine.
Ich dachte, ich hole die Familie, schaffe hier ein bis zwei Jahre und lerne das, kaufe mir dann die Maschine und gehe dann wieder zurück.

Als Tourist gekommen, als Gastarbeiter geblieben
Ich blieb dann bei der Firma Ensslen und holte im Oktober 1970 meine Familie. In der Gartenstraße fand ich eine kleine Wohnung für unsere fünfköpfige Familie. Ich wechselte bald zur Firma Holzäpfel, als diese dann nur noch an drei Tagen in der Woche arbeitete, suchte ich mir eine neue Arbeit, ich musste meine Familie ernähren.
Ich hatte gehört, dass Daimler Leute sucht, man dafür aber eine Karte vom Arbeitsamt braucht. Als ich beim Arbeitsamt war, sagte mir der Beamte: „Ich habe meine Hand im Krieg in Kreta verloren, Griechen bekommen bei mir keine Karte!“ Als ich lautstark auf den Tisch schlug und sagte:“Ich war damals neun Jahre alt, ich habe mit dem Krieg nichts zu tun!“ kam der Beamte vom Nebenzimmer, der stellte mir die Karte aus. Ich war dann fast zwanzig Jahre beim Daimler, bis ich 2003 in den Ruhestand ging.

In Ebhausen heimisch geworden
1987 habe ich einen Bauplatz in Ebhausen gekauft, das Haus gebaut, wir sind im Dezember 1988 eingezogen. Meine beiden Töchter und mein Sohn haben in Ebhausen die Schule besucht, die Töchter wohnen ebenfalls in Ebhausen, der Sohn ist bei Ergenzingen verheiratet. Mein Hobby sind die Hühner und mein Garten, das meiste Gemüse baue ich selber an.

In Ebhausen leben noch einige griechische Familien, viele der Kinder haben deutsche Partner geheiratet.